Trends und Herausforderungen für Unternehmensberatungen
Die Unternehmensberatung ist ein schnelllebiges Geschäft – mit stets neuen Herausforderungen und Trends. Die neuen Herausgeber des Handbuchs der Unternehmensberatung Thomas Deelmann und Dirk Michael Ockel im Interview mit der ZUb-Redaktion.
ZUb-Redaktion: Herr Prof. Deelmann und Herr Ockel: Wo sehen Sie beide die größten Herausforderungen für die Branche der Unternehmensberater?
Thomas Deelmann: Lassen Sie mich vielleicht auf drei Herausforderungen kurz eingehen:
Da ist zunächst die Emergenz neuer Geschäftsmodelle sowie das Zusammenwachsen von Beratung, also Advisory, und anderen professionellen Dienstleistungen für Kundenunternehmen. Vielleicht führt dies dazu, dass wir zukünftig organisationale Beratung neu definieren müssen.
Dann ist da die Digitalisierung zu nennen. Sie hat zwei Dimensionen. Zum einen wird sich das eigene (Beratungs-) Geschäft digitalisieren und zum anderen gilt es, die Digitalisierung für das eigene Geschäft nutzbar zu machen – also in Beratungsleistungen zu verwandeln.
Und schließlich ist die Professionalisierung der Kunden und eine Nachfrageveränderung zu nennen. Ein Stichwort ist hier der „Rollentausch“ von Beratung (Kompetenz) und Linientätigkeit, ein anderes Stichwort ist hier die Einflussnahme des Kunden auf die Teamzusammensetzung.
ZUb-Redaktion: Was sind aus Ihrer Sicht die Themen, die aktuell in der Beratungsbranche am intensivsten diskutiert werden?
Dirk Michael Ockel: Hier fallen vier Dinge auf. Erstens, die wahrgenommene Konsolidierung und Konzentration der Branche. Zusammenschlüsse und Übernahmen sind nichts neues, es erscheint aber, als dass derzeit sehr viele anorganische Entwicklungen im Gang sind.
Zweitens dann die Personalgewinnung; weniger auf Grund der „Generation Y“-Diskussion, sondern vielmehr auf Grund der zunehmend unübersichtlichen Hochschul- und Studienganglandschaft.
Der dritte Punkt betrifft das Personalmanagement im Lichte von erweiterter Work-Life-Vorstellung, mit denen insbesondere der Nachwuchs die Branche konfrontiert, die aber zunehmend auch in höheren Hierarchiestufen sichtbar wird.
Viertens kann dann die Notwendigkeit genannt werden, zunehmend belastbare Umsetzungserfolge beizubringen und dies gegenüber dem Kunden auch zu belegen. Belastbar bedeutet in zunehmendem Maße, dass wir über in den Meßsystemen der Kunden nachweisbare Erfolge sprechen müssen.
ZUb-Redaktion: Ein großes Thema ist – gerade für die Beratungsbranche – das Thema Nachwuchsgewinnung. In Zeiten von Generation Y und X: Ist Berater noch ein Traumberuf?
Dirk Michael Ockel: Zunächst erst einmal: Es werden wohl immer neue Generationen als vollkommen anders, als ihre Vorgänger beschrieben. Studien zeigen jedoch, dass viele Werthaltungen der Generation Y sehr ähnlich zu denen der Generation X und auch zu denen der Babyboomer sind: Die Bedeutung intrinsischer und extrinsischer Belohnung oder altruistische Motive haben sich demzufolge im Laufe der Jahre kaum verändert. Die Freitzeitorientierung ist hingegen angestiegen – hierauf kann mit „Work-Life-Balance“-Maßnahmen reagiert werden. Das gilt aber für Beratungen ebenso wie für alle anderen Unternehmen.
Der Beratungsberuf scheint weiterhin für Hochschulabsolventen hoch attraktiv zu sein: Wir haben in Deutschland über 100.000 Berater, vor fünf Jahren waren es noch circa 20.000 weniger.
(Kleine Nebenrechnung: 20.000 der 2013 aktiven Berater waren Juniorberater. Wenn wir eine durchschnittliche Verweildauer von zwei Jahren in dieser Stufe unterstellen, dann treten derzeit jährlich circa 10.000 Hochschulabsolventen in die Beratung ein, was bei 436.000 Hochschulabschlüssen in 2013 (jüngste Daten, alle Abschlüsse, alle Fächer) 2,3 Prozent entspricht.)
Unbeschadet dessen: Neben Unternehmensberatungen gibt es immer wieder andere hochattraktive Unternehmen, Branchen oder Unternehmensformen (Stichwort: Start-up), die alle um die Absolventen konkurrieren bzw. bei denen die Absolventen Schlange stehen.
ZUb-Redaktion: Und was raten Sie, Herr Prof. Deelmann, jungen Absolventen, die sich für den Beraterberuf interessieren?
Thomas Deelmann: Wichtig erscheint mir, den Beruf des Beraters etwas zu entmythisieren und ein wenig Folklore aus der Diskussion zu nehmen. Man sollte nicht alles glauben, was an sehr positiven (oder auch sehr negativen) Dingen über die Branche herumerzählt wird. Die Wirklichkeit ist nicht schwarz-weiß, sondern deutlich differenzierter und am Ende des Tages wollen die meisten Beratungsunternehmen genau das machen, was andere auch anstreben: Geld verdienen.
Diejenigen, die sich für den Beraterberuf interessieren, sollten sich möglichst umfassend informieren. Das geht natürlich in einschlägigen Vorlesungen, durch gute Literatur zum Thema und natürlich durch einfaches ausprobieren: Ein Praktikum in einer Beratung kann hilfreich sein, genauso wie die Mitarbeit in einer studentischen Unternehmensberatung.
ZUb-Redaktion: Herr Ockel. Sie haben gemeinsam mit anderen Partnern die Unternehmensberatung Licetus Deutschland gegründet. 2014 wurde Licetus von Deloitte übernommen. Haben kleinere Häuser noch eine Zukunft oder ist der Konsolidierungsdruck in der Branche mittlerweile so groß, dass am Ende nur noch ein paar Beratungshäuser und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften mit einer eigenen Beratungseinheit überleben werden?
Dirk Michael Ockel: Kleinere Beratungsunternehmen wird es zunächst immer geben im Zuge von Gründungswünschen von Nachwuchsberatern in großen Häusern. Viele überleben auch die anfänglich meist hohe Kundenkonzentration.
Die Konzentration bzw. das Aufgehen von Kleinen in Großen wird ebenso immer stattfinden, einerseits aufgrund von Wegfall von Geschäft bei Kleinen, andererseits aufgrund von Wünschen der Gründer, den Erfolg der ersten Jahre in einem Kaufpreis zu realisieren. Insgesamt sehe ich aber auch bei kleinen Häusern eine schnellere Tendenz zur Konzentration und Aufgehen in Großen.
Gewinner der Konzentration unter den großen Gesellschaften, ob Managementberater oder Big-4, sind seit einiger Zeit eben diese Big-4. Hauptgründe sind einerseits die Notwendigkeit zur Größe, um große Zukunftsthemen qualifiziert und nachhaltig stemmen zu können. Andererseits wählt ein signifikanter Anteil von Absolventen oder Nachwuchsberatern die Big-4, da in diesen weit diversifizierten Unternehmen den eigenen Karrierewünschen die meisten Optionen gegenüberstehen.
ZUb-Redaktion: Ein Blick auf die Beratungsmethoden: Gibt es in diesem Bereich Trends oder neuere Entwicklungen?
Thomas Deelmann: Als großes Thema kann zurzeit wohl die gerade schon angesprochene Digitalisierung mit alle ihren Facetten gezählt werden. Auch die Automatisierung oder Systemunterstützung bei der Dienstleistungserbringung wird wachsen und die Grenze zwischen Beratung (Advisory) und einem Prozess-Outtasking verschwinden lassen.
ZUb-Redaktion: Unterscheidet sich Beratung von heute eigentlich von Beratung im Jahr 2000?
Dirk Michael Ockel: Beratung ist deutlich präsenter, d. h. wir haben einfach „mehr“ Beratung. Dadurch verändert sich nicht nur die Wahrnehmung in der Gesellschaft, sondern auch die Situation beim Kunden und natürlich in den Beratungen.
ZUb-Redaktion: Und wie wird Beratung im Jahr 2025 aussehen – Stichwort Digitalisierung?
Thomas Deelmann: In einer gerade von mir veröffentlichten Studie habe ich diese Frage bzw. die nach der Digitalisierung und Automatisierung Beratern, Kunden und Marktbeobachtern gestellt. Im Durchschnitt wurde die Automatisierungsthese leicht abgelehnt. Interessant aber der Blick auf die drei Gruppen: Während die Berater nicht an eine Automatisierung in den nächsten zwei Dekaden glauben, sind die Marktbeobachter deutlich positiver und die Kunden liegen mit ihren Antworten dazwischen.
Persönlich denke ich, dass sich das Geschäftsmodell der Beratung durch die Digitalisierung und auch die Automatisierung verändern wird – was allerdings nicht nachteilig sein muss und Chancen bietet!
Hintergrundinformationen
Prof. Dr. Thomas Deelmann, hat Wirtschaft studiert und zum Thema Geschäftsmodellierung promoviert. Er ist Dozent für Corporate Management und Consulting an der BiTS-Hochschule, Iserlohn. Seit diesem Jahr ist er gemeinsam mit Dirk Michael Ockel Herausgeber des Handbuchs der Unternehmensberatung (HdU).
Dirk Michael Ockel ist Partner bei der Deloitte & Touche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Büro Köln. Seine Interessensgebiete sind die Rationalisierung technischer Unternehmensbereiche sowie die Strategie- und Organisationsentwicklung. Nach zunächst 10 Jahren Tätigkeit für eine der größten amerikanischen Strategieberatungen war er 15 Jahre lang selbstständiger Beratungsunternehmer, hat eine Spezialberatung zum Marktführer aufgebaut und 2014 bei Deloitte & Touche eingebracht.